Die Magie des kreativen Flows – Der Film „Dior and I“

Wenn der kreative Flow – der berühmte Flow-Effekt – in ganz bestimmten Moment im Leben entsteht, ob das in bestimmten Arbeitssituationen ist, in Gesprächen, zwischen Menschen oder aus bestimmten Stimmungen/Naturerlebnissen heraus, dann ist es immer ein ganz besonderes Highlight – ein magischer Moment. Es ist so, als ob ein unsichtbarer Vorhang aufgeht und plötzlich eine weitere Dimension des Lebens sichtbar wird – etwas, was wir „im normalen Leben“ erahnen und spüren, wo wir hin wollen und wo es über den Willen, über Machen, Tun und Bemühen, keinen Zugang gibt.
Der kreative Flow ist ein Geschenk, eine Gnade, ein Wunder, welches das Leben ab und zu für uns bereithält, wenn wir dafür offen sind und wenn bestimmte Qualitäten zusammen treffen.
Welche Qualitäten sind das, die diesen Flow-Effekt ermöglichen?
Ein Impuls, etwas Wollen, eine Vision haben, inspiriert sein, für etwas Brennen, eine Richtung vorgeben – das alles steht sicher am Anfang.
Energie, Kraft, Entschiedenheit und Umsetzungsstärke kommen dazu.
Dann geht es darum, dass die „zweite Dimension“ dazukommt – das Gegenüber/die anderen. Auf diese anderen muss der Funke überspringen – die Flamme muss anfangen zu brennen, sich auszudehnen – alle müssen vom gleichem Geist inspiriert sein, durchdrungen sein. Jetzt entsteht Begeisterung und Freude – der Wow-Effekt setzt ein – ein zentrales Element für den kreativen Flow.
Teamgeist, etwas gemeinsam schaffen und erreichen wollen, Offenheit, Wollen, Beharrlichkeit und Fleiß, sind nun gefragt. Jetzt sind alle von dem Prozess „besessen“ und wollen unbedingt das Ziel erreichen und etwas Tolles schaffen.
Langsam erhöht sich das Energiepotential um ein Vielfaches und alle geben ihr Bestes.
Nun wird es magisch, denn an dieser Stelle kommt meist eine weitere, größere Dimension des Lebens hinzu – das Ungeahnte, Unvorhergesehene, die Unberechenbarkeit. Diese fordert eine sehr große Offenheit für den jeweiligen Moment und die speziellen Herausforderungen, die es zu meistern gibt.
Jetzt gilt es, eine ganz besondere Durchlässigkeit zuzulassen, eine Art Hingabe an das Größere und sich führen zu lassen – vom Leben und von dem Menschen, der an dieser Stelle die Führung hat (was natürlich vorher festgelegt ist). An dieser Stelle muss jede
Zurückhaltung aufgegeben werden und jede Störung behoben werden.
Manchmal geht es an der Stelle auch darum, eine Art Abstieg in die Unterwelt zu wagen – sich den inneren Dämonen zu stellen, die Konfrontation mit bestimmten Emotionen und der Innenwelt einzugehen – hier ist hundertprozentige Wahrhaftigkeit mit sich selbst und dem jeweiligen Prozess notwendig. (– alles im Dienste des Gesamten und Größeren, was hier bereits schwer am Arbeiten ist. )
Nun ist die „Alchemistenküche des Lebens“ am Werk – jetzt wird aus Blei Gold gemacht, hier wird das unterste nach oben geholt und sehr tiefgründig vom Leben gearbeitet/geschürft.
Jetzt gilt es Beharrlichkeit, Disziplin, Fleiß und Durchhaltekraft an den Tag zu legen.
Dranbleiben, durchhalten, weitergehen, den Fokus behalten – das Licht am Ende des Tunnels ist schon zu sehen – das Ende naht.
Und dann geht der Himmel auf………… manchmal, plötzlich……… wie eine Nacht
voller Sternschnuppen – es fließt, strömt, strahlt und umgibt alles mit einem ganz besonderen Glanz und alle Beteiligten nehmen es wahr, sind davon beseelt und getragen von dieser Kraft. Die Präsenz des Lebens ist anwesend und alle tauchen ehrfürchtig und dankbar ein.
Der Film „Dior and I“ von Regisseur Frédéric Tcheng
Der Film „Dior and I“ von Regisseur Frédéric Tcheng schafft es auf ganz stille Weise, diese abstrakte Qualität des Flow-Effektes sichtbar zu machen.
Dieser Dokumentarfilm lässt die Zuschauenden an einem künstlerischen Schaffens-prozess teilnehmen, an dem ein großes Team von sehr unterschiedlichen Menschen beteiligt ist. Er zeigt, den kreativen, oft sehr emotionalen Dialog zwischen Raf Simons und den Direktricen im Haute-Couture-Atelier – dem Herzen der Marke Dior – der diesen Flow-Effekt überhaupt nur möglich macht.
Er nimmt uns mit auf den Weg von der Idee bis zur großen Show, dem aufregenden Defilée, am Ende und auf alle kreativen Stationen dazwischen.
Der Film taucht ein in die Welt des großartigen Modeschöpfers Christian Dior und verknüpft diese mit dem Erleben des aktuellen Dior-Modedesigners Raf Simons.
Über Orginaltonaufnahmen des Modeschöpfers gewährt er Einblicke in die Innenwelt des Menschen Christian Dior, er lässt uns seine Identitätskonflikte miterleben und verwebt diese mit dem Neueinstieg des kamerascheuen Raf Simons, der 2012 gerade als neuer Kreativdirektor in das Modeimperium Dior einsteigt.
Wie ein Schatten folgt die Kamera Raf Simons und dessen neuen Team. Es gibt nur 8 Wochen Zeit, für die erste Haute-Couture-Show von Raf Simons für das Haus Dior – – und gleichzeitig ist das seine erste Haute-Couture-Arbeit überhaupt.
Ein sehr emotionsgeladener Prozess beginnt, wird in dem Film für die Zuschauer sichtbar und auch miterlebbar gemacht – ein großartiges Vorgehen, was mich als Zuschauer immer mehr in den Bann zieht.
Der Film ist eine Dokumentation und gleichzeitig so spannend wie ein Krimi. In den eineinhalb Filmstunden lernen wir die Menschen in den Werkstätten des Modehauses Dior kennen – die grauen Eminenzen im Hintergrund – sie wachsen uns ans Herz und werden zu lebendigen Menschen, die leiden, schaffen und kraftvoll zusammenarbeiten – auch über die eigenen Grenzen hinaus. Und alle sind dazu bereit, da sie sich als Teil eines schöpferischen Teams erleben dürfen.
Das ist der besondere Verdienst von Raf Simons, der allen Beteiligten seiner neuen „Kreativfamilie“ viel Respekt und Wertschätzung entgegen bringt.
Durch diese „Liebe für das Ganze“, zu der Raf Simons offensichtlich in der Lage ist und die sich auf alle und alles überträgt, entsteht die Magie, die den kreativen Flow ermöglicht und die alle mitreißt. Der Film schafft es, diesen speziellen Moment einzufangen und zu zeigen. Einfach nur großartig!
Die Kraft des kreativen Flows wird am Ende des Films in den berührenden Liveszenen des Laufsteg-Count-Downs auch für den Zuschauer sichtbar und fühlbar. Sie zeigt sich besonders dann, wenn die massive Emotionalität und Anspannung sich endlich entlädt und Raf Simons sowie alle Beteiligten hemmungslos in Tränen ausbrechen und diesen freien Lauf lassen. Der Erfolg der gemeinsamen Arbeit ist gelungen und alle sind nur erleichtert und glücklich.
Ein Gänsehaut-Moment für mich als Zuschauer, ein großes Geschenk, dabei sein zu dürfen und diese Offenheit mitzuerleben. Eine Welle, die selbst bei mehrmaligem Anschauen des Films, meine Emotionalität mitreißt, mich immer in Aufregung versetzt und in Tränen ausbrechen lässt.
Natürlich geht es in dem Film um Mode und auch um das Business Dior. Dennoch schafft Frédéric Tcheng auf geniale Weise, die subtile Kreativarbeit des Genies Raf Simons einzufangen und gleichzeitig das Zwischenmenschliche dieser Arbeit in den Vordergrund zu stellen. Ihm gelingt die Kunst, die Verknüpfung der Inspiration und visionäre Welt von Raf Simons mit der Umsetzungsarbeit der Werkstätten sichtbar werden zu lassen. Das ist die besondere Magie in dem Schaffensprozess, die in nur 8 Wochen diese Vollkommenheit in der Mode und der Show möglich macht und die der Film einfängt. Ein Wunder!
Diese Film zeigt den kreativen Flow – den Flow-Effekt – auf einzigartige Weise.
Ab Mitte August ist der Film auf DVD über Amazon erhältlich.