Arbeitswelt Deutschland – Teil 1

Verfasst von am 01. Dezember 2016
Arbeitswelt Deutschland – Teil 1

Mehr Schein als Sein – so lautet die Devise unserer Zeit:

Leben und Arbeiten in der allgegenwärtigen Fake-Gesellschaft

Die Fake-Realität dominiert in unserer Gesellschaft. Den meisten Menschen geht es fast ausschließlich darum, sich ein gutes Image aufzubauen und den guten Schein zu wahren. Die tatsächliche Realität wird umgangen, verdreht oder gleich ganz vermieden.

Offenbar funktioniert das: Die Anzahl der „Likes“ in sozialen Medien beeinflusst inzwischen Karrieren. Sogar Politiker setzen computergesteuerte Programme ein, die als angebliche User Likes und positive Kommentare abgeben. So wird Zustimmung der Wähler simuliert, und ein völlig falsches Bild entsteht. Dieser gezielte Einsatz von Fake-Realitäten hat die Wahl in den USA am 8. November 2016 maßgeblich beeinflusst.

Auch in Deutschland sind Fake-Realitäten allgegenwärtig. Das zeigt sich in der Politik wie in allen anderen Bereichen des täglichen Lebens – bis in das Verhalten des Einzelnen und in die familiären Strukturen hinein. Selbst dort hat sich dieses Übel eingenistet und massiv ausgebreitet.

Wozu dienen Fake-Realitäten?

Oberstes Ziel aller Menschen in unserer modernen Zeit ist, gemocht zu werden. Sie wollen beeindrucken und Anerkennung erhalten. Das geht heute so weit, dass Eltern vermeiden, ihren Kindern Grenzen zu setzen, weil sie Angst haben, ihre Kinder könnten sie dann weniger lieb haben. Eine absurde und verdrehte Haltung.

Denn Kinder lieben ihre Eltern, das ist ein Naturgesetz. Ihnen ist es egal, wie diese sich verhalten. Studien belegen sogar, dass Kinder bei Trennungen umso mehr Heimweh entwickeln, je schlechter sie in ihren Familien behandelt werden.

Worum geht es also? Nicht um die Kinder. Es geht darum, das Bedürfnis der Eltern nach „geliebt werden“ zu befriedigen und ihren Mangel an Selbstliebe durch die Zuneigung der Kinder auszugleichen. Das allein ist die Motivation der Eltern für ihr verdrehtes Verhalten. Auf der Strecke bleibt, den Kindern das zu geben, was sie dringend für ihre Entwicklung brauchen: Halt, Sicherheit und Orientierung.

Diese selbstbezogene Haltung vieler Menschen schädigt die kindliche Psyche. Gleichzeitig haben Eltern, die sich in dieser Weise verhalten, eine Legitimation dafür, sich großartig zu fühlen. Aus ihrer Sicht machen sie alles richtig. Sie sind die perfekten Eltern und verstehen sich als mitfühlende und bedürfnislose Wesen, die sich um das Wohl der anderen kümmern. Ein verheerender Teufelskreis!

Wir halten die Fake-Gesellschaft für echt

Der Kinder- und Jugendpsychiater Michael Winterhoff beschreibt in seinem Buch „Mythos Überforderung“ (Gütersloher Verlagshaus, 2015) unsere Gesellschaft als eine „Kuschel-Gesellschaft“. Die verbreitete Haltung unserer Zeit ist: Wir wollen bloß niemandem wehtun und keine Konflikte haben. Alles soll harmonisch und „easy going“ sein.

Allgegenwärtig sind Aussagen wie: „Wir wollen doch Spaß haben.“ – „Lasst es uns doch bitte entspannt angehen.“ – „Bleib cool.“ – „Halte den Ball flach.“ Oberstes Ziel des modernen Menschen ist, gemocht zu werden, toll zu sein und Anerkennung zu bekommen. Die Fake-Gesellschaft ist seine Wahrheit, und dementsprechend verhält er sich.

Die Negativschleife der Destruktion

Das Problem hinter der Kuschelgesellschaft: In dem Bemühen, Konflikte zu vermeiden, werden noch mehr Konflikte aufgebaut. Denn ein Konflikt, der nicht angesprochen wird, gärt weiter. Die Erwartung, dass der andere schon merken wird, was los ist, geht meistens schief. Dementsprechend wachsen Enttäuschung und Wut. Frustration nicht auszuleben macht stumm und zornig.

Doch nun gibt es einen Grund, ein „Recht“ auf die Wut. Jetzt liegt die Verantwortung bei dem Anderen, der enttäuscht hat. Jetzt dürfen die armen Opfer wütend sein und streiten. Allerdings wird der Streit auf diese Weise meist destruktiv.

Der Rückzug folgt zwangsläufig und mündet im Kommunikationsabbruch. So wird aus einer geringfügigen Störung ein handfester Streit, der zu einem Beziehungsabbruch, einer Abmahnung oder sogar zu einer Kündigung führen kann. Ein weiteres Detail im Teufelskreis – nun heißt es: „Hätte ich besser nichts gesagt. Konflikte anzusprechen kann ja nur schiefgehen.“

Es gibt nur Verlierer in der Kuschel-Gesellschaft

Im Fazit geht es in einer Kuschel-Gesellschaft, in der alle nur geliebt werden wollen, in der Konflikten aus dem Weg gegangen wird und in der keine Leistung bzw. klare Positionierung mehr eingefordert wird, mit dem Erfolg und der Leistung aller abwärts. Denn erst, wer Herausforderungen bestanden hat, erstarkt psychisch, wird lebenstauglicher und leistungsfähiger. In der Kuschel-Gesellschaft verlernt man, dass Frustration effektiv genutzt werden kann, um eine Verbesserung herbeizuführen. Oder man erwirbt diese Fähigkeit gar nicht erst.

Hintergrund: Die narzisstische Gesellschaft

Aus psychologischer Sicht ist die Ausbreitung einer narzisstischen Haltung in unserer Gesellschaft der Hintergrund dieser allgegenwärtigen Fake-Realität. Es geht um Image und Konsum: die perfekte Oberfläche, Wirkung und Schein, Zugehörigkeit zur richtigen Gruppe und darum, in dieser Gruppe erfolgreich zu sein.

Das perfekte Image ist in allen Lebensbereichen gefragt. Kleidung, Aussehen und Auftreten müssen bestimmten Regeln folgen, Meinungen und Handlungen des Einzelnen müssen zum Image passen. Fast ausschließlich geht es darum, „richtig“ zu sein und dafür Anerkennung zu bekommen.

Dieses Kreisen um das „mehr Schein als Sein“ ist eine Katastrophe für die Psyche des Menschen. Der immense Druck, in Beruf und Privatleben zu glänzen und alles richtig zu machen, geht mit der ständigen Angst einher, zu enttäuschen und zu versagen. Ein enormer Leistungsdruck entsteht, der kaum Ruhepausen ermöglicht. Doch dies intrapsychische Erleben muss man verdrängen, da sonst das perfekte Image gefährdet ist. Ein weiterer Schritt im Teufelskreis, der immense Kraft kostet.

Die gesamte Gesellschaft zahlt den Preis

Eine Gesellschaft, die Image und Konsum als höchstes Gut hat, fördert den narzisstischen Menschen. Seine Merkmale sind ein geringer Selbstwert und eine große Lebensangst. Hinzu kommt, dass Narzissten nur eingeschränkt leistungsfähig sind, weil sie sich permanent mit ihrem Image beschäftigen und mit Überlastungsgefühlen und Versagensangst zu kämpfen haben.

Folglich neigen Narzissten dazu, zu resignieren und jede Entscheidung und Eigenmacht über ihr Leben abzugeben. Resignation wirkt wie eine subtile Droge mit fatalen Folgen für den Einzelnen und die Gemeinschaft. Kurzfristig fühlt sich der Narzisst entlastet, weil der Überforderungsdruck weicht. Längerfristig jedoch führt die Resignation zum totalen Selbstverlust.

Die Droge Resignation und ihre Folgen

Resignation bedeutet, dass keine Entscheidungen mehr getroffen werden. Sie werden ausgesessen, verweigert. Menschen die resignieren, haben nur noch den Wunsch, allen Herausforderungen und Konfrontationen auszuweichen. Sie lassen andere entscheiden – selbst die eigenen Kinder oder Haustiere. Und sie übernehmen niemals Verantwortung dafür. „Schuld“ sind immer die anderen, die sie, die armen Opfer, zu diesem Verhalten „zwingen“. Der Resignierte hat immer das Recht auf seiner Seite, er bleibt immer gut, nett, freundlich und vor allem richtig!

Dieses Verhalten kann abstruse Formen annehmen, die wir in jedem Film als Übertreibung ansehen würden. Leider sind Fake-Realität und Narzissmus inzwischen die Realität vieler Menschen geworden – Tendenz steigend.

Resignation als trügerische Entlastung

Resignation macht ohnmächtig und vermittelt dem Betroffenen, Opfer zu sein. Wer resigniert, fühlt sich komplett ausgeliefert an eine größere, oft als böse erlebte Macht. Das kann der Partner sein, der Chef, der Staat oder der Nachbar. Jeder, der Forderungen stellt, eignet sich für die Rolle des Bösen.

Hat sich Resignation erst einmal in der Persönlichkeit eines Menschen eingenistet, schwächt sie die Willens- und Antriebskraft des Betroffenen mehr und mehr. Resignation endet in der totalen Selbstlosigkeit – im wahrsten Sinne des Wortes.

Das alles geht auch zu Lasten der Gesundheit des Individuums. Es führt zu einer zunehmenden Überreizung, die in Überforderung und diffusen Ängsten mündet und in einem psychischen wie körperlichen Zusammenbruch endet, dem berühmt-berüchtigten Burn-out.

Resignation und Narzissmus – das größte Übel unserer Zeit

Die Resignation in Verbindung mit dem allgegenwärtigen Narzissmus ist aus meiner Sicht das große Übel unserer Zeit. Beide gemeinsam bestimmen inzwischen die intrapsychische Realität so vieler Menschen, dass sie die gesamte Gesellschaft in eine Art psychische Erkrankung führen. Das Schlimmste daran ist, dass sich Resignation und Narzissmus subtil entfalten, ganz unmerklich einnisten und dass sie inzwischen für die meisten völlig normal geworden sind.

Diese intrapsychische Realität des Einzelnen und der modernen Gesellschaft, die bis zur Mitte der 1990er-Jahre als Indikator für eine psychischen Erkrankung galt, ist heute der herrschende Allgemeinzustand der meisten Menschen und der Gesamtgesellschaft – sowohl in Deutschland als auch weltweit. Nicht zuletzt schädigt das die Produktivität der Wirtschaft. Auf allen Seiten gibt es also nur Verlierer.

Ausweg aus der Misere

Wer sein Verhalten grundlegend verändern will, braucht weit mehr als gute Ratschläge und eine sachorientierte Anleitung. Es geht darum, an der Änderung der inneren Haltung zu arbeiten, an der eigenen Einstellung und auch an der gesamtgesellschaftlichen Realität.

Wenn Sie interessiert sind, dann lesen Sie bitte in der Fortsetzung weiter, die in Kürze folgen wird. Der gesamte Artikel ist in 3 Folgen angelegt.

Ich freue mich über Ihr Interesse.

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